Avignon in der Literatur bezieht sich auf das Wirken der französischen Stadt Avignon in der Literatur in Vergangenheit und Gegenwart. Avignon und der Papstpalast dienten schon häufig als Schauplatz literarischer Handlungen, insbesondere in der französischen Literatur. Zu den bekanntesten Werken zählen wahrscheinlich Gargantua und Pantagruel von Rabelais oder die Briefe aus meiner Mühle von Alphonse Daudet, die auf die Zeit der Päpste Bezug nehmen. Zahlreich sind auch die Erwähnungen bekannter Reisender wie etwa Francesco Petrarca, Anne Marguerite Petit Du Noyer oder Stendhal, deren Eindrücke und Ansichten jedoch recht unterschiedlich ausfallen. So wird Avignon von den einen als friedvolle, idyllische Stadt beschrieben, in der es sich gut leben lässt. Andere wie etwa Prosper Mérimée zeigen sich erstaunt über den imposanten Papstpalast, der aufgrund seines festungsartigen Charakters zuweilen auch auf Abneigung stößt. Am unwohlsten in Avignon fühlte sich wohl Petrarca, der sich von der großen Stadt regelrecht abgestoßen fühlte und lieber in Fontaine-de-Vaucluse lebte.
Literaturtourismus
Im fünften Band von Rabelais Romans Gargantua und Pantagruel besuchen der Sohn des Grandgousier, begleitet vom Bruder Jean des Entomeures und von Pamurge, die Stadt Avignon, die Rabelais gut von seinem Studium an der Universität Montpellier kannte. Beeindruckt von der Vielzahl ihrer Kirchtürme taufte er sie in „Glockeninsel“ (l’Isle Sonnante) um und verlegte die Handlung in die Zeit des Großen Abendländischen Schismas. Die ersten sechs Kapitel sind diesem Besuch gewidmet.
Die Marquise de Sévigné rühmte während der Ankunft ihrer Tochter Françoise in Avignon 1671 den Charme dieser Stadt, welche sie nur von den Beschreibungen ihrer Tochter her kannte:
Auch Anne Marguerite Petit Du Noyer (1663–1779) fiel die Schönheit der Stadt auf. Während ihres Aufenthaltes in Avignon drückte sie ihren Enthusiasmus und ihr Erstaunen in den Lettres historiques et galantes de deux dames de condition dont l’une estoit à Paris & l’autre en province aus:
Der liberalen Protestantin fiel auf, dass die Bewohner von Avignon ein überaus idyllisches Leben führten, denn sie erklärt:
Prosper Mérimée berichtete in den Notes d’un voyage dans le Midi de la France von seinem Besuch 1834 in Avignon und vom Papstpalast, den er auf seine erste Liste historischer Denkmäler von 1840 setzte. Seine Eindrücke wurden allerdings abgeschwächt, da er auch negativ über die alte Papststadt urteilte:
Stendhal besuchte Avignon zur selben Zeit. Es war für ihn eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, da die Familie einer seiner Großväter von hier stammte. In seinem 1838 veröffentlichten Buch Mémoire d’un touriste berichtet er vom Papstpalast, wobei er sich nicht an die historischen Tatsachen bezüglich Giotto und der Inquisition hielt:
1877 veranstaltete Henry James eine Rundreise durch Frankreich, auf der er zum dritten Mal Avignon besuchte, die Stadt die ihn immer enttäuscht hatte. Ebenso wie der Papstpalast, der für ihn „das unheimlichste aller historischen Gebäude“ war. Er begab sich dorthin, als der Mistral stürmisch wehte und sprach in einem Satz:
1925 trug Joseph Roth nach einer Frankreichreise seine Aufzeichnungen unter dem Titel Les villes blanches zusammen. Nach Ende des 19. Jahrhunderts begeisterten sich junge mitteleuropäische Architekten für die Architektur Süditaliens. Der österreichische Romanschriftsteller wollte dieser Suche im südlichen Frankreich nachgehen und entdeckte Avignon. Fasziniert empfand er die Stadt der Päpste wie einen Ort, der „zugleich Jerusalem und Rom, die Antike und das Mittelalter“ war. Seine Suche wurde damals mystisch:
Der Gelehrte Pierre-Jean Rémy stellt im Vorwort eines den Stadthäusern von Avignon gewidmeten Buches fest:
Gedichte, Berichte, Erzählungen und Romane
Francesco Petrarca liebte zwar Fontaine-de-Vaucluse, konnte sich jedoch an der Stadt Avignon nicht richtig erfreuen, die er mit einem „neuen Babylon“ verglich. Er überschüttete sie mit den schlimmsten Verleumdungen und Nachreden: „Oh Avignon, ist es so, dass du Rom verehrst, deinen Souverän? Wehe dir, wenn dieser Leidgeprüfte beginnt aufzuwachen!“ Für ihn war Avignon „die Hölle der Lebenden, die Kloake der Erde, die Widerlichste aller Städte“, „die Heimat der Jammergestalten und Halbaffen“, „die langweiligste Stadt der Welt“ oder auch „das triste Heim aller Laster, allen Unheils und allen Elends“.
Er fügte gleichermaßen hinzu: „Der Hof von Avignon [war] ein verschlingender Abgrund, den nichts füllen konnte.“ Schließlich schreibt man ihm die seitdem verbreitete Redewendung „Avignon, Bilge aller Laster“ zu, die vom Dichter auf eine ähnliche Weise formuliert wurde: „Avignon ist keine Stadt mehr, sie ist eine Bilge aller Verbrechen und Schandtaten“.
Die Melancholien von Jean Dupin sind undatiert, wurden aber wahrscheinlich 1510 von Michel le Noir in Paris gedruckt. Jean Dupin fing an, sie 1324 zu schreiben und beendete sie 1340. In zwei Strophen kritisiert der Moralist darin die Vetternwirtschaft unter Johannes XXII. und den Bau der päpstlichen Palastfestung unter Benedikt XII., auf der „sich der Papst verschließt“.
Im vierzehnten Jahrhundert beschrieb Jean Froissart in seinen Chroniken den von Clemens VII. und seinen Kardinälen organisierten Empfang im Papstpalast im Herbst 1389. Zu der Zeit kam Karl VI. in Begleitung seines Bruders und seiner Onkel aus Berry und dem Burgund zu Besuch. Er servierte ihnen ein „schönes, langes und reichhaltiges Abendessen“. Nach den vom König angebotenen Festlichkeiten und Tänzen erhielten „die Damen und Fräuleins von Avignon“ viele Großzügigkeiten von Seiten des Herrschers.
1855 erschien in der ersten Ausgabe der Armana Prouvençau ein Gedicht mit dem Titel La cansoun di felibre. Es stammt von Théodore Aubanel, eine der drei Hauptpersonen der Félibrige-Bewegung. Der Dichter besingt in einer Strophe den Papstpalast:
Das Maultier des Papstes ist eine der bekanntesten Erzählungen von Alphonse Daudet und erschien 1870 in den Briefen aus meiner Mühle. Er beschreibt darin eine Papststadt, die genauso imaginär wie sein Pontifex Bonifacius ist, die dafür aber an die Nachwelt weitergegeben wurde: „Wer nicht Avignon zur Zeit der Päpste gesehen hat, hat nichts gesehen.…Ach! die glückliche Zeit! Die glückliche Stadt! Hellebarden, die nicht schnitten; Staatsgefängnisse, in welche man Wein schickte um die Gefangenen zu erfrischen. Niemals Mangel; niemals Krieg…. So wußten die Päpste von Avignon ihr Volk zu regieren, das ist der Grund, warum ihr Volk sie so sehr bedauert hat! …“
Frédéric Mistral lobte 1897 im Le poème du Rhône mit derselben Bewunderung Avignon und den Papstpalast: „Das ist Avignon und der Papstpalast! Avignon! Avignon auf ihrem riesigen Felsen! Avignon, die Freudenglöcknerin, die nacheinander die Spitzen ihrer Kirchtürme errichtete, alles ausgesäte Schmuckstücke. Avignon, das Patenkind des Heiligen Vaters, das Boot und Anker im Hafen sah und die Schlüssel in ihrem Zinnengürtel trägt; Avignon, die galante Stadt, die der Mistral zusammenbindet und durcheinander bringt und die um die Herrlichkeit so glänzen zu sehen, in ihrer Unbekümmertheit erhalten blieb.“
Einige neuere Autoren haben Avignon als Handlungsort für ihre Erzählungen genommen. Unter ihnen ist L’anonyme d’Avignon, ein 1992 erschienener Roman von Sophie Cassanes-Brouquin, in dem sein Held, der junge Toulouser Philippe de Maynial, sich nach der Abreise der Päpste nach Avignon begibt, wo man auf eine hypothetische Rückkehr wartet und der päpstliche Palast als Symbol des verlorenen Glanzes gilt. Der erste Teil spielt in der verlassenen Stadt, in der der junge Mann die Techniken der Malerei erlernt. Dank seines Meisters entdeckt er dort die großen alten Künstler Simone Martini und Matteo Giovanetti, und nimmt, ohne es zu wissen, an der Gründung der Avignon-Schule teil, deren Werke und Künstler ganz Europa beeinflusst haben.
Im Kriminalroman Panique au Palais des Papes von Henri Coupon, der im Jahr 2000 herausgegeben wurde, wählt der Verfasser Avignon und das Festival als Handlungsort für eine Terroraktion.
Schließlich erschien 2007 der Roman Die Prophezeiung von Avignon von Emmanuelle Rey-Magnan und Pascal Fontanille, der Themen aus der gleichnamigen Fernsehserie weiterverarbeitet und Avignon sowie den Papstpalast zur Esoterik-Hochburg macht.
Für seinen im mittelalterlichen Avignon spielenden Roman Die schwarze Rose (2022) habe er „ein paar tausend Seiten Sozialgeschichte von Avignon im 14. Jahrhundert gelesen“, sagte Dirk Schümer.
Literatur
- Anne Bourret-Porée: Demeures secrètes du vieil Avignon, Barbentane, 2000, ISBN 978-2841352098
Anmerkungen
![]()

